Aus dem Magazin „KörperGeistSeele“
(Ausgabe November 2007)
Die Leiterin der Chiron-Homöopathieschule Mareen Muckenheim schreibt über die Behandlung des Krebses in der Klassischen Homöopathie.
Patienten kommen mit der erschütternden Diagnose Krebs in die homöopathische Praxis und stehen in der Regel seitens der Schulmedizin unter einem enormen Druck, eine Entscheidung für eine Operation treffen zu sollen. Manchmal müssen sie sich sogar dem bereits anberaumten OP-Termin widersetzen. Dabei benötigte der Krebs in den allermeisten Fällen eine sehr lange Zeit für seine Entstehung (außer bei sehr schnell wachsenden Typen, wie sie oftmals jüngere Menschen bekommen) – es besteht also meist ein nicht derart dringender Handlungsbedarf, wie es die rasch angesetzten OP-Termine weismachen wollen.
Ursache: verstimmte Lebenskraft
In der Homöopathie wird jedwede Krankheit als Ausdruck der verstimmten Lebenskraft verstanden. Die „auffallenden, sonderlichen, ungewöhnlichen und eigenheitlichen Symptome“ des Erkrankten sind es, die für gewöhnlich den Weg zu der „ähnlichsten“ Arznei weisen. Krebs nun gilt in der Klassischen Homöopathie als so genannte „einseitige Erkrankung“ – einseitig deshalb, weil sich hier üblicherweise zunächst gar keine solchen Symptome herausbilden, die das Individuelle an diesem Krankheitsfall erkennen ließen, so wie Hahnemann es in seinem berühmten Paragr. 153 des „Organon“ fordert. Wieder einmal stellt sich hier also für die HomöopathIn die Frage: Was ist Krankheit in diesem individuellen Falle? Was drückt sich hier aus? Im Verständnis der modernen Homöopathie spiegelt sich Krankheit auf allen Ebenen des menschlichen Seins wider, alles ist gleichsam durch einen „roten Faden“ miteinander verbunden und spricht letztlich die „gleiche Sprache“. Dies bedeutet, dass es für das Verständnis der Entstehung eines Krebsleidens gleichermaßen wichtig ist, die physiologischen und die psychologischen Bereiche auszuloten. Vorzugsweise sind uns hierzu die „Empfindungen“ eines Menschen hilfreich. Hier liegt die Möglichkeit, die individuelle Funktion der Erkrankung zu erkennen und zur Quelle allen homöopathischen Heilens, der Lebenskraft, mittels einer möglichst ähnlichen Arznei vorzudringen. Die „Empfindung“ in der Homöopathie meint die tiefste Gefühlsebene eines Menschen, die auch eine nicht mehr rein „menschliche“ Empfindung sein kann, z.B. die Empfindung, etwas sei „schneidend“, fühle sich an wie „eine heiße Kugel“ oder wie „eine große Leere“. Häufig werden solche Empfindensschilderungen von Gesten und Körpersprache begleitet.
Realitätsverschiebung durch Traumatisierung
Krankheit bedeutet auch, nicht (mehr) in der Realität zu leben, sondern in einer Art Realitätsverschiebung, der meist eine individuelle Traumatisierung zugrunde liegt. Sie ist gewissermaßen eine Idee, die nicht der Realität entspricht, die sich nun materialisiert hat und deren Natur es ist, dass sie beständig fortlebt. Diese Idee, die eine zuerst überlebenswichtige Funktion für das Individuum hat, gar als (vorerst) kreative Lösung gedacht werden kann, behindert jedoch die individuelle Entwicklung eines Menschen. Im Krebs nun hat sich eine Materialisierung vollzogen, die einen tödlichen Ausgang zu nehmen droht, sie stellt gewissermaßen höchst dringlich die Anforderung an die Betroffenen, dieses Trauma, dieses Problem zu lösen. Wenn man den Geschichten Krebserkrankter zuhört, offenbart sich zumeist, dass es sich nicht um ein ausschließlich individuelles Trauma handelt, sondern auch familiäre oder gar kollektive Hintergründe einen Einfluss haben. Die gesuchte homöopathische Arznei muss eine zur ursprünglichen Situation des Traumas, also der Verkennung der Realität passende, ähnliche sein.
Miasma: das Terrain der Entstehung
Das Miasma – griechisch „Befleckung, Ansteckungszunder“ – beschreibt das Terrain, auf dem die Entstehung bestimmter Erkrankungen überhaupt erst möglich wird. Hierzu zählen in der Homöopathie die ererbte Disposition gleichermaßen wie auch durch allopathische – allos=griechisch „das Andere“ – (Vor-)Behandlung hervorgelockte Erkrankungen. Hier spielt der homöopathische Gedanke der Unterdrückung hinein, dass nämlich durch unähnliche Behandlung, das „Gegenangehen“, eine bestimmte Krankheitsbereitschaft konsolidiert wird. Oder dass womöglich durch eine pharmazeutische Substanz, wie wir es z.B. vom Quecksilber her kennen, eine Erkrankung induziert wird – dies nennen wir iatrogene Erkrankung (iatros=griechisch „Arzt“). So gilt es bei der Behandlung des Krebses also aus vielerlei Zeichen zu lesen, um eine möglichst ähnliche Arznei zu finden, die eine „mitsinnige“ Heilung ermöglicht.